Vor rund 15 Jahren kam das erste iPhone auf den Markt – und mit ihm der Hype um das Smartphone. Heute ist ein Leben ohne die smarten Mobiltelefone kaum noch vorstellbar: In Deutschland nutzen über 88 % aller Menschen ein Smartphone. Wir werden morgens von ihm geweckt, checken schon beim Frühstück die ersten Mails, sind den ganzen Tag erreichbar und nicht selten legen wir das Smartphone erst zum Schlafen wieder aus der Hand. Doch dieses Nutzungsverhalten birgt auch Risiken: Es kann zum Zwang oder sogar zur Sucht werden. Ist „Digital Detox" die Lösung?
„FOMO“: Darum wird das Smartphone zur Sucht
Ein Digital Detox soll den negativen Folgen der Dauernutzung von Smartphones und sozialen Medien entgegenwirken. Eine dieser Folgen ist die „Fear Of Missing Out“ – kurz „FOMO“. Diese „Angst etwas zu verpassen“ existiert schon seitdem der Mensch in Gemeinschaften lebt, war jedoch nie so präsent wie heute, wo wir durch Social Media nahezu live am Leben von Freunden und Bekannten teilhaben können. Der ständige Vergleich des eigenen Lebens mit dem der Anderen kann zu Symptomen wie innerer Unruhe, Schweißausbrüchen und zwanghaftem Aktualisieren der eigenen Social Media Accounts führen. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die Inhalte in sozialen Medien sorgfältig gewählt und bearbeitet werden, weshalb sie häufig weit von der Realität entfernt sind.
Digitaler Stress im Berufsleben
Auch in unserem Arbeitsalltag wächst die Bedeutung digitaler Technologien. Sie automatisieren Aufgaben, erleichtern ortsunabhängige Kommunikation und sollen unsere Produktivität steigern – und die COVID-19 Pandemie hat diese Entwicklungen noch beschleunigt: Es wird mehr im Home-Office gearbeitet, Meetings werden zunehmend online abgehalten und kommuniziert wird über Messenger wie Slack, Microsoft Teams oder WhatsApp.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien (PräDiTec)“ hat 2019 in einer Studie zwölf digitale Belastungsfaktoren identifiziert. In der Onlinebefragung von über 5000 Beschäftigten in Deutschland wurden die Faktoren „Leistungsüberwachung“, „Gläserne Person“ und „Unzuverlässigkeit“ als Hauptursachen für digitalen Stress genannt. Dabei beschreibt „Leistungsüberwachung“ das Gefühl, durch die digitalen Technologien zunehmend überwacht und bewertet zu werden. „Gläserne Person“ ist die gefühlte Beeinträchtigung der eigenen Privatsphäre und „Unzuverlässigkeit“ die Befürchtung, dass digitale Technologien ihren Zweck nicht erfüllen.
Neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die mit digitalem Stress einhergehen, wirkt dieser sich auch auf das Arbeitsleben aus. So führt er zu geringerer Arbeitsfähigkeit und Produktivität sowie zu weniger Arbeitszufriedenheit. Das kann die Bereitschaft, seinen Arbeitgeber zu wechseln oder den Beruf sogar ganz aufzugeben, steigern.
„Digital Detox“: Der Ausweg aus dem digitalen Stress?
Smartphones, Wearables und andere digitale Technologien können unser Leben zweifelsohne bereichern, konstant online zu sein beeinträchtigt jedoch unsere Work-Life-Balance und unser Wohlbefinden. Der übermäßige Konsum von Technologie sorgt dafür, dass wir schlechter abschalten können, kann Schlaf sowie Laune verschlechtern und schlimmstenfalls zu einer Sucht werden. „Digital Detox“, zu Deutsch „digitale Entgiftung“, ist eine Gegenbewegung zu diesem Dauerkonsum von smarten Geräten. Indem man bewusst auf die Nutzung von Smartphone und Co. verzichtet, oder diese verringert, sollen Ängste und Stress reduziert werden.
Tipps für die digitale Entgiftung
Zunächst sollte man sich einen Überblick über die eigene Nutzung digitaler Technologien schaffen: Welche Geräte nutze ich, auf welche kann ich verzichten? Wie sind meine Routinen und wann nutze ich die digitalen Technologien? Womit möchte ich stattdessen meine Zeit verbringen?
Eine Maßnahme gegen übermäßigen Konsum können Smartphone-freie Zeiten oder Orte sein. So könnte man, indem man sich einen analogen Wecker anschafft, das Schlafzimmer zur Offline-Zone machen oder eine Stunde vor dem Schlafengehen auf alle digitalen Technologien verzichten. Auch das Checken und Beantworten von Emails auf eine bestimmte Zeit legen, anstatt ganztägig online zu sein, kann helfen. Das Handy bewusst für einige Stunden wegzulegen, oder ganze Smartphone-Freie Tage einzuplanen, kann Wunder gegen digitalen Stress bewirken. Inzwischen werden sogar ganze „Digital Detox“-Urlaube angeboten.
Die gewonnene Zeit kann mit analogen Medien und neuen Hobbys gestaltet werden: Den Plattenspieler anwerfen, Radio hören, ein Buch lesen oder mal wieder Sport treiben.
Smartphone-Apps und Digital Detox – wie passt das zusammen?
Immer mehr Anbieter bringen „Digital Detox“-Apps auf den Markt. Durch Apps das Smartphone weniger nutzen – was sich auf den ersten Blick widerspricht, kann tatsächlich ein nützliches Tool darstellen. In der App „Forest“ beispielsweise werden Münzen gesammelt, in dem man sein Smartphone für eine bestimmte Zeit nicht nutzt. Mit diesen können anschließend Bäume gepflanzt werden.
Die App „Offtime“ aus Berlin blockiert Anrufe, Nachrichten und andere Programme für eine bestimmte Zeit. Beendet man seine Handy-Pause, muss man eine Minute warten, bevor man erneut gefragt wird, ob man die Pause wirklich beenden möchte. Mit der Anwendung „App-Detox“ lassen sich Regeln für andere Apps festlegen, beispielsweise eine maximale Nutzungsdauer von 30 Minuten am Tag oder dass eine Anwendung nur achtzehn Mal in einer Woche gestartet werden darf. Es kann sogar festgelegt werden, dass 100 Schritte gegangen werden müssen, um eine App zehn Sekunden verwenden zu dürfen.
Die richtige Balance finden
Digitalisierung begleitet uns jeden Tag und macht unser Leben in vielen Bereichen leichter. Wissen ist rund um die Uhr verfügbar, Grenzen übergreifende Kommunikation stellt kein Problem mehr dar und unsere Freunde und Familie sind meist nur einen Klick entfernt. Ziel von Digital Detox ist es also nicht, digitale Technologien zu verteufeln. Jedoch müssen wir lernen, diese Möglichkeiten mit Verantwortung zu nutzen. Hier stellt Digital Detox in den unterschiedlichsten Formen eine Möglichkeit dar, den Konsum von Smartphone und Co. zu bewusst zu hinterfragen und gegebenenfalls zu reduzieren – und mit ihnen hoffentlich auch den digitalen Stress.