Die Bezeichnung Life Science, also "Lebenswissenschaften", zeigt, welche gesellschaftliche Relevanz und Spannbreite diese Branche hat. Sie beschäftigt sich mit den großen Herausforderungen unserer Zukunft – von der medizinischen Entwicklung und Forschung bis hin zum Umweltschutz.
Altertümlich “Biologie” genannt, neudeutsch in “Life Science” umgetauft – bezeichnet wird damit jeder Forschungszweig der Natur- und Ingenieurwissenschaften, der sich mit Strukturen sowie Verhalten lebender Organismen beschäftigt. Dahinter verbergen sich tausende von Einzeldisziplinen, denn die Arbeiten im Forschungsbereich Life Science umfassen eine breite Palette von Anwendungsfeldern. So entwickeln aktuell die Forscher des Fraunhofer IAP beispielsweise Verfahren, Materialien und Schlüsselsubstanzen für die Biotechnologie, die chemische Industrie, Medizinprodukte, Pharmazeutika und Kosmetika sowie für Umwelt- und Nanotechnologien. Die Relevanz für die Gesellschaft wird bereits an einem einzigen Forschungsergebnis deutlich: der Künstlichen Hornhaut für Ultima-ratio-Patienten. Sie ist aktuell für Menschen, die aufgrund einer Krankheit oder ihres Alters ihre Sehkraft verloren haben, die letzte Hilfe.
Leben erforschen und heilen
In den Bereich Life Science fallen Berufsprofile der Biotechnologie, der Molekularbiologie, der Pharmaindustrie sowie der Medizin und Medizintechnik, der Biomedizin, -chemie, -physik und -informatik. Aber auch die Pharmakologie, die Agrochemie und das Spektrum der Ernährungswissenschaften zählen dazu. Das verdeutlicht bereits die große Spannbreite sowie die gleichermaßen großen Aufgaben wie Herausforderungen des Sektors. Nicht erst durch die COVID-19-Pandemie ist die Gesundheitsversorgung zu einem zentralen Thema geworden. Auch der kontinuierlich fortschreitende demografische Wandel und die damit einhergehende alternde Bevölkerung heben die Relevanz des Gesundheitsmarktes. Bis 2040 werden voraussichtlich 22 Prozent der deutschen Bevölkerung älter als 70 Jahre sein. Um ihr Leben so lang und gesund wie möglich zu gestalten, sind neue Arzneimittel und Therapieansätze nötig. Daher investieren Deutschland sowie viele europäische Staaten kontinuierlich in diesen Sektor. Das Beratungsunternehmen McKinsey prognostiziert, dass alleine die deutschen Gesundheitsausgaben aufgrund von chronischen sowie langfristigen Krankheiten in den kommenden Jahren jährlich um weitere 4 Prozent wachsen werden.
In Gesundheit investieren
Prioritizing Health: Der Name des Reports ist zugleich Programm. Denn Experten des McKinsey Global Institute haben die gesundheitlichen Herausforderungen und Chancen bis zum Jahr 2040 in 200 Ländern analysiert. Das Ergebnis: Das globale BIP könnte um 8 Prozent, 12 Billionen US-Dollar, gesteigert werden, wenn in die Gesundheit investiert wird. Für Deutschland bedeutet das: Jeder für Gesundheit aufgewendete Euro würde sich um das 2,5-fache auszahlen. Damit könnten im Jahr 2040 jeder zehn gesunde Lebensjahre im Alter dazugewinnen.
Der Begriff “Gesundheit” lässt sich noch weiter fassen. Einige Studien gehen davon aus, dass auch soziale, wirtschaftliche und umweltbedingte „Faktoren“, sprich soziale Determinanten, das “Wohlfühlen” beeinflussen und für bis zu 80 % der positiven oder negativen Gesundheitsergebnisse verantwortlich sind. Zu diesen individuellen Faktoren gehören unter anderem das Einkommen, die Ernährung, die Umgebung sowie die Qualität der sozialen Gemeinschaft. Auch hier wird die Life Science Branche mit ihren weit verzweigten Forschungsgebieten tätig. Und das bereits in den Grundlagen schon im Jahr 1873. Vor 149 Jahren ließ sich der Mikrobiologe Louis Pasteur sein verbessertes Verfahren zur Herstellung von Hefekulturen als Patent eintragen. Es gilt als historisch erstes gewerbliches Schutzrecht auf einen Mikroorganismus.
Mission “humane Zukunft”
Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms wurde der Grundstein für die Medizin der Zukunft gelegt: Es ist das Ziel der Wissenschaftler, Patienten eine auf ihre DNA zugeschnittene Behandlung zukommen zu lassen. Doch das ist nicht der einzige Trend. Auch immer resistenter werdende Viren lassen Forscher an neuen Medikamenten arbeiten.
Doch zu einer lebenswerten Zukunft gehört auch eine gesunde Umwelt. Der Umweltaspekt gewinnt in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Nur ein Aspekt von vielen ist dabei ein bewusster Umgang mit Ressourcen. In Bezug auf Herstellungsverfahren bedeutet das, dass man für die Kunststoffgewinnung zum Beispiel das herzustellende Polymer recyclingfähig gestalten sollte. An polymeren Materialien mit biologischen Funktionen forschen auch die Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts. Dabei spielt die Nutzung nachwachsender Rohstoffe eine zentrale Rolle. Andere Forscher arbeiten an leistungsfähigen Batteriesystemen für Elektroautos und neuen Kunststoffen für den Karosseriebau oder entwickeln organische Leuchtdioden, die den Energieverbrauch senken und so das Klima schützen.
Investitionen, Innovation und Wandel
Damit auch in den nächsten Jahrzehnten die Wissenschaftler im Life Science Sektor zahlreiche Innovationen für die Gesellschaft und die Umwelt entwickeln können, startet 2021 das EU-Rahmenprogramm “Horizon Europe”. Diese Initiative hat das Ziel, eine wissens- und innovationsgestützte Gesellschaft und wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Der Fokus liegt dabei auf der Gesundheitswirtschaft insbesondere der Krebsforschung. Denn, so lautet es im EU-Programm, eine gesunde Bevölkerung ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine stabile und nachhaltige Gesellschaft. Die Gesundheit der Menschen zu verbessern ist von entscheidender Bedeutung dafür, die Armut zu verringern und Probleme verbunden mit der alternden europäischen Gesellschaft zu bewältigen. Hierzu tragen Forschung und Innovation im Bereich Life Science wesentlich bei, denn die Branche hat Einfluss auf ALLE und ALLE-S!