Es gibt Menschen, die Arbeit anziehen, die sich für alles verantwortlich fühlen, die all die unsichtbare und wenig wertgeschätzte Arbeit übernehmen. Sie sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Doch die “Kümmerer” sind auch die, die Gefahr laufen, sich zu überlasten und unter grossem Stress, dem Mental Load stehen.
“Es wird immer mehr von allem und alles wird zudem immer schneller und unkonkreter.” Meist sind es solche oder ähnliche Sätze, die Betroffene von Mental Load bei der Beschreibung ihrer Situation äussern. Die Ursachen bleiben dabei oft im Dunkeln, doch die Symptome zeigen sich umso klarer. Und das ist auch schon einer der Knackpunkte von Mental Load, denn fast schleichend fühlen Betroffene sich auf einmal sehr stark belastet. Es tauchen seelische Probleme ebenso wie körperliche Krankheiten auf. Gereiztheit, Nervosität, Bluthochdruck, Essstörungen, Hautausschlag, Nackenschmerzen und vieles mehr. Je nach Person können die Leiden dabei ganz individuell sein, gleich sind jedoch die Folgen – und diese können dramatisch sein. Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Unternehmen, denn unsere Gesellschaft braucht die Leistungsträger. Sie sind das Rückgrat, das unsichtbare Bindemittel, das alles zusammenhält.
Was ist Mental Load?
Mental Load ist ein Gesamtpaket aus vielen (Denk-)Aufgaben und der Koordination dieser Aufgaben, die häufig unsichtbar und somit auch wenig wertgeschätzt sind. Am Ende des Tages völlig erschöpft, keine Energie mehr vorhanden und absolut leer: Das ist das Ergebnis. Es sind diese tausend kleinen beruflichen wie privaten Dinge, die ganzen unsichtbaren Aufgaben, die erschöpfen. Sie müssen erledigt werden, um reibungslose Abläufe zu gewährleisten. Das stimmt auch meistens, aber nicht immer. Die Grenzen bei der Zuständigkeit sind häufig nicht klar trennbar. Dadurch bürden sich viele Personen einfach zu viel auf, und haben das Gefühl unersetzlich sein zu müssen.
So sehr man auch versucht die Produktivität anhand von Listen, Arbeitsstunden, abgeschlossenen Projekten und anderen quantitativen Methoden zu messen, ein Berg an Arbeit bleibt “schwammig” — und genau dieser Berg kostet alle Kräfte. Er führt zu negativem Stress, da die Befriedigung, das Glücksgefühl, nach der Arbeit nicht eintritt. Häufig weiss man nicht einmal, was man eigentlich “gearbeitet” hat. Das zermürbt und macht krank.
Mental Load im Berufsleben
Am Arbeitsplatz ist «Mental Load» allzu real. Immer neue Berufsbilder führen zu unspezifischen Aufgabenverteilungen und gleichzeitig kommen neue Tätigkeiten on top. Damit fallen viele kleine To-dos an, die meist immer die gleiche Person übernimmt. Auch wenn die Krankheit unspezifisch ist, sind häufig Frauen betroffen. Sie leiden nach wie vor häufiger an der Doppelbelastung von Job plus Familie. Sie haben dadurch regelrecht das Gefühl, im Alltag “zu ertrinken”. Doch wie kann man Mental Load erkennen und so auch einer zu grossen Belastung vorbeugen?
Sechs Anzeichen für einen hohen Mental Load:
- Ständiges Gefühl, an alle Aufgaben denken zu müssen
- Zu hohe Erwartungshaltungen an die eigenen Arbeitsergebnisse
- Perfektionismus (top formatierte PowerPoint-Präsentationen ohne Tippfehler, leerer Posteingang, perfekte Ablagestruktur, etc.)
- Immer überall pünktlich sein wollen/müssen
- Schwäche zum “NEIN” sagen
- Selbstzweifel
Wenn Du alle der oben genannten Punkte für Dich persönlich bejahen würdest, dann könnte es durchaus sein, dass Du auch vom Mental Load betroffen bist.
Zusätzliche Stress-Faktoren: Mental Load im Privatleben
Man sollte allerdings auch möglichen Mental Load im privaten Umfeld nicht ausser Acht lassen, denn Stress bei der Arbeit hat verständlicherweise auch Einfluss auf das Privatleben. Aber auch die eigenen Beziehungen und private Verpflichtungen können unseren Mental Load verstärken.
Balance statt Burnout
Zu grosse Belastungen – sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld – können dauerhaft ernsthafte Folgen haben. Daher ist es wichtig, sich der eigenen Situation immer wieder bewusstzumachen und für mehr Balance zu sorgen.
Das können wir selbst tun:
- Unsichtbare Arbeit sichtbar machen: Wer Licht ins Dunkel bringt und auch die vermeintlich kleinen Arbeiten für sich persönlich sieht, kann diese auch wertschätzen. So bewirkt manchmal schon ein Haken an der Checkliste einen wahren Glücksrausch. Aber Achtung: Mal kein Haken ist kein Grund für Selbstvorwürfe.
- Arbeit auslagern: Ein klassischer Fall von „leichter gesagt als getan“, aber auch die Anderen können Aufgaben übernehmen und oftmals muss man auch selbst lernen, loszulassen und Dinge abzugeben.
- Me-Time: Sich Zeit für sich selbst zu nehmen und für sonst niemanden, bewirkt Wunder.
- Reden, reden, reden: Mit dem Team wie den Vorgesetzten ins Gespräch gehen. Das ist der erste Schritt, zu sich und seinen Bedürfnissen zu stehen. Idealerweise hat man schon Ideen vorbereitet, wie die Arbeit neu strukturiert werden kann.
Das können Unternehmen tun:
- Flexibilität: Individuelle Arbeitsmodelle und -strukturen können Mitarbeiter unterstützen und Belastungsphasen vorbeugen.
- Coaching und Mentoring Programme: Ein eigener Wegbegleiter hilft in allen fachlichen und auch persönlichen Belangen.
- Kommunikation und Offenheit: Regelmässige proaktive Gespräche im Team und mit Mitarbeitern auch mal ausserhalb eines konkreten Anlasses enttarnen meist die Gefühlslage. Körperliche und seelische Herausforderungen werden schneller sichtbar.
- Weiterbildung: Der Schlüssel liegt auch darin, Mitarbeiter zu befähigen, ihnen den Zugang zu Wissen zu ermöglichen und sie durch Trainings und Workshops fachlich sowie menschlich zu fördern.
Das Wichtigste: Auf sich selbst hören
Das Wichtigste ist, auf sich selbst zu hören und zu reflektieren: Was tut mir gut, was belastet mich, aber was hilft mir auch bei der Entspannung? Manche Menschen ziehen ihre Energie aus Zeit, die sie mit ihren Liebsten verbringen und sind danach energiegeladener als vorher. Andere brauchen dagegen eher Zeit für sich, um ihre „Akkus aufzuladen“. Genau an diesem Punkt ist eine offene und ehrliche Kommunikation mit dem Umfeld wichtig: Man darf Grenzen setzen und auch mal „nein“ sagen.
Den eigenen Weg zur Entlastung finden
Jeder Mensch hat andere Wege mit (privatem) Stress umzugehen. Was allerdings vielen Leuten hilft, ist Bewegung: Ob es nun ein schweisstreibendes Krafttraining im Fitnessstudio ist, eine Yoga-Einheit in den eigenen vier Wänden oder ein ausgedehnter Spaziergang im Grünen, muss jeder für sich selbst herausfinden. Einige greifen auch auf Meditation zurück, um mehr zur Ruhe zu komme, aber auch ein gutes Buch, ein Besuch mit Freunden in der Bar können für mentale Entlastung sorgen. Am Ende gibt es nicht den einzig wahren Weg aus dem Mental Load, aber der erste Schritt der Erkenntnis ist wichtig, um langfristig besser mit der Belastung im beruflichen Alltag und im Privatleben umzugehen.