Frauen sind im Vertrieb noch immer unterrepräsentiert. Woran liegt das und was können wir tun, um mehr Frauen eine erfolgreiche Karriere im Sales zu ermöglichen? Wir sprechen mit Iryna Pryval, Business Sales Leader bei der Aristo Group, über die Herausforderungen sowie Möglichkeiten und Chancen, die Frauen im Vertrieb begegnen.
Iryna, du arbeitest seit sieben Jahren bei der Aristo Group im Bereich Pharma. Wie bist du an diesen Punkt gekommen?
Mein Werdegang war recht untypisch: Ich habe Kunst auf Lehramt studiert und auch eigene Kunst ausgestellt. Nach dem Studium bin ich jedoch direkt bei einem Wettbewerber im Sales gestartet. Nach einem Jahr bin ich dann zur Aristo Group gewechselt, weil mich der Life Science Bereich schon immer begeistert hat. Hier bin ich für den Bereich Pharma, R&D und Commercial zuständig – das umfasst alle Bereiche, die mit der Arzneimittelforschung, -entwicklung und auch -kommerzialisierung zu tun haben.
Wie kam es dazu, dass du nach deinem Kunststudium im Sales beziehungsweise Recruiting gelandet bist?
Ich habe für mich verstanden, dass die Schule nicht das richtige Umfeld für mich sein wird und bin daraufhin in der Berufsberatung gewesen. Auf einem Absolventenkongress habe ich mir dann verschiedene Firmen und Berufsbilder angesehen. Für mich war es spannend, dass das Recruiting eine Schnittstelle zwischen Verkaufen, Kommunizieren und Überzeugen ist. Ich wusste, dass das meine Stärken sind und habe deshalb diesen Weg eingeschlagen.
Was gefällt dir am Sales oder was macht das Recruiting zu einem attraktiven Tätigkeitbereich?
Kein Tag ist wie der andere und ich kann immer neue Facetten ausleben. Jedes Projekt, jeder Kunde und jeder Kandidat sind anders und man schlüpft immer wieder in eine andere Rolle. Das liebe ich so sehr. Dadurch habe ich auch den Weg zu mir selbst gefunden.
Bei der Aristo Group haben wir eine hohe Frauenquote. Der Vertrieb an sich ist jedoch traditionell eher eine Männerdomäne. Wie fühlt es sich für dich an, in einem solchen Bereich zu arbeiten?
Ich habe jetzt insgesamt neun Jahre Sales-Erfahrung und war sehr viel in männlich dominierten Teams unterwegs. Oft war ich die einzige Frau im Team und fand das sehr bereichernd, habe viel gelernt und mich immer wohlgefühlt. Mein erstes Team hier bei der Aristo Group bestand aus acht Männern und mir als einzige Frau. Zwei Jahre später hatten wir die erste Praktikantin im Team und ich habe mich das erste Mal in der Arbeit über Make-Up unterhalten. Ich erinnere mich noch heute, wie sich bei den neuen Gesprächsthemen auf einmal acht Männer umgedreht haben, das war super witzig. Heute ist es umgekehrt: In meinem Team sind haupsächlich Frauen und nur zwei Männer. Das ist schon ein Unterschied. Wir haben dadurch einfach andere Themen auf dem Tisch – sei es beruflich oder privat.
Was ich aber immer sehr an meinen männlichen Kollegen geschätzt habe, war, dass sie mich immer ermutigt haben, Dinge zu wagen und etwas zu riskieren. Das hat mir auch in schwierigen Kundengesprächen einen wahnsinnigen Rückenwind verliehen. Ich wusste, ich habe meine „Jungs“ hinter mir, mein Team, das mich unterstützt und mir weiterhilft. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir jemand etwas nicht gönnt oder dass es Konkurrenzkämpfe gab. Auch das Gehalt ist im Recruitment sehr transparent. Wir werden hier alle gleich behandelt und verdienen erfolgsbasiert, was also absolut nicht vom Geschlecht abhängig ist.
Welche Herausforderungen können Frauen im Vertrieb begegnen? Und welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften braucht man, um im Sales erfolgreich zu sein?
Ich glaube, mit einer tendenziell introvertierten Persönlichkeit kann „frau“ es schwer haben, in einem Team aus Männern auf sich aufmerksam zu machen. Insbesondere, da die Kollegen im Sales meist sehr kommunikationsstark und durchsetzungsfähig sind.
Ich bin vom Typ her jemand, der kein Problem damit hat, aufzustehen und seine Meinung zu sagen. Hätte man mich vor zwei Jahren gefragt, hätte ich auch gesagt, dass es wichtig ist, eine kommunikationsstarke, extrovertierte, bunte Persönlichkeit mitzubringen. Das würde ich so heute nicht mehr unterschreiben. Ich glaube jeder Charakter ist geeignet für diesen Job. Ich kenne sehr erfolgreiche Consultants, die eher als introvertiert bezeichnet werden würden. Sie haben sich wahnsinnig entwickelt und sich anstecken lassen von der Energie der anderen.
Was wirklich zählt, sind Ehrgeiz, Durchhaltevermögen, Verhandlungsgeschick und das Zuhören – das Zuhören ist fast wichtiger als das Sprechen. Aber auch Time Management und die Fähigkeit, einen Fokus zu setzen. Ausserdem denke ich, dass wir insbesondere im Recruitment unsere Stärken, die wir als Frauen haben, wie Einfühlungsvermögen, Empathie und das „zwischen den Zeilen lesen“, sehr gut einbringen können.
„Das Zuhören ist wichtiger als das Sprechen.“ Kannst du erklären, was du damit meinst?
Ich bin als junge Frau mit 26 Jahren mit sehr viel Enthusiasmus und einem Bild von dem, was Sales sein muss, in den Beruf gestartet. Das bedeutet, ich habe meine Kunden einfach „an die Wand geredet“. Mein Redeanteil war sicherlich 80 %. Ich hatte zwei, drei Kollegen im Team, die mir dann einfach immer einen Stift zwischen die Zähne geklemmt haben, nachdem ich am Telefon eine Frage gestellt habe. Am Anfang war das total verwirrend und vor allem: Was wollten sie mir damit beibringen? Die Antwort: Zuzuhören und daraufhin die richtigen Fragen zu stellen. Das ist wichtig, um herauszufinden, was ich tun kann, um die Bedürfnisse meines Gegenübers zu erfüllen! Gute Zuhörer sind diejenigen, die einen wirklichen Vorteil in unserem Business haben.
Welchen Rat würdest du jungen Frauen geben, die im Sales Karriere machen wollen?
Ich glaube in keinem Beruf ist Persönlichkeitsentwicklung so wichtig, wie im Vertrieb. Du bist tagtäglich mit dir selbst konfrontiert – auch mit den eigenen vermeintlichen Schwächen, die eigentlich keine Schwächen sind, sondern einfach Entwicklungspunkte oder Merkmale, die man an sich selbst noch nicht kennengelernt hat. Im Sales bekommst du das vom ersten Tag an auf dem Silbertablett serviert. Deshalb ist der Rat, den ich gebe: sich selbst kennenlernen und ganz viele Fragen stellen. Und auch zuzugeben, wenn man gerade unsicher ist oder nicht weiss, was richtig, oder falsch ist. Das Wichtigste in unserem Beruf ist, authentisch zu sein – zu sich und seinem Gegenüber.
Was müsste deiner Meinung nach passieren, damit mehr Frauen den Weg ins Recruiting finden?
Sichtbarkeit und Einsicht in unseren Berufsalltag sind super wichtig. Ich denke, dass der Job einfach bekannter werden muss – ob das in Universitäten geschieht, bei Weiterbildungsangeboten für Quereinsteiger oder auch durch Unternehmen wie die Aristo Group, die beispielsweise Social Media nutzen, um Einsicht in unseren Berufsalltag zu bieten.
Indem wir Erfolgsstorys von Frauen teilen, die dann als Markenbotschafterinnen für unsere Branche agieren, schaffen wir einfach mehr Sichtbarkeit. Ich glaube, dass der Frauenanteil dadurch in Zukunft weiter steigen wird, weil Frauen immer mehr ermutigt werden, sich in Bereiche hineinzuwagen, die nicht typisch weiblich sind.
Gibt es noch etwas, dass du loswerden willst?
Ich glaube, dass sowohl Frauen als auch Männer ganz besondere Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringen, die alle Geschlechter perfekt für den Recruitment Job qualifizieren. Wenn man voneinander lernt und als Team Hand in Hand geht, profitiert man am meisten von einem diversen Umfeld. Deshalb möchte ich jeden dazu ermutigen, sich Sales anzusehen, sich auszuprobieren und ganz viele Fragen zu stellen.