Prognosen zufolge könnten in Deutschland bis 2030 rund fünf Millionen Fachkräfte fehlen, fast eine Million davon im Krankenhaus- und Pflegebereich. Zur Lösung des Problems werben deutsche Minister nun Fachkräfte aus dem Ausland an. Gleichzeitig gilt Deutschland als nur mässig attraktiv für Arbeitsmigranten, unter anderem wegen der Sprachbarriere, der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt und der vergleichsweise hohen Steuerbelastung. Wie lässt sich das Problem lösen?
Vom Krankenhaus- und Pflegepersonal über Medizintechnikerinnen und -techniker bis hin zu Ärztinnen und Ärzten – die Fachkräftelücke im deutschen Gesundheitssystem ist weitreichend und hat spürbare Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung. Angesichts der demografischen Entwicklung und des wachsenden Bedarfs an Gesundheitsdienstleistungen wird sich dieser Mangel in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Eine mögliche Lösung stellt das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland dar. Die Idee ist einfach: Wenn mehr qualifiziertes Personal aus anderen Ländern nach Deutschland kommt, könnte das Land seine Arbeitskräfte im Gesundheitssektor aufstocken und somit den Mangel lindern. Erst im Juni 2023 unternahmen Arbeitsminister Hubertus Heil und Aussenministerin Annalena Baerbock genau aus diesem Anlass eine Reise nach Brasilien, um dort Pflegekräfte für Deutschland anzuwerben. Doch es gibt einige Herausforderungen.
Leben und arbeiten in Deutschland: aus diesen Ländern stammen Expats
Arbeitsmigranten kommen aus vielen verschiedenen Ländern nach Deutschland. Die genauen Herkunftsländer variieren je nach Jahr, wirtschaftlicher Situation und spezifischen Regelungen, die den Arbeitsmarktzugang für Nicht-EU-Bürger betreffen. Als Mitglied der EU ermöglicht Deutschland Bürgern aus anderen EU-Mitgliedstaaten den freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Das führt dazu, dass viele Menschen aus Ländern wie Polen, Rumänien, Bulgarien und Kroatien nach Deutschland kommen. Die Westbalkanregelung ermöglicht seit 2015 ausserdem zahlreichen Menschen aus Ländern wie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro sowie Serbien eine Erwerbstätigkeit in Deutschland. Viele Expats stammen auch aus Nicht-EU-Ländern, insbesondere der Türkei, Indien und China.
Erwerbsmigrantinnen und -migranten aus Nicht-EU-Staaten
Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern spielen eine wichtige Rolle bei der Linderung des Fachkräftemangels in der Gesundheitsbranche in Deutschland. Auch sie bringen oft qualifizierte Ausbildungen und Berufserfahrung mit, die in der Gesundheitsbranche benötigt werden. Zusätzlich können sie durch ihre kulturelle Vielfalt und mehrsprachige Kompetenz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen, indem sie etwa die Kommunikation mit Patienten unterschiedlicher Herkunft erleichtern.
Massnahmen für mehr Expats in Deutschland
Um diesen Prozess zu unterstützen, hat Deutschland mehrere Massnahmen ergriffen, um den Zugang für ausländische Fachkräfte zur Gesundheitsbranche zu erleichtern. Dazu gehören das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und spezielle Vereinbarungen mit bestimmten Ländern zur Anwerbung von Pflegekräften.
Ende 2022 lebten in Deutschland etwa 351.000 Personen aus Nicht-EU-Ländern mit einem zeitlich begrenzten Aufenthaltstitel für Arbeitszwecke. Dies geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Die Anzahl hat seit 2010 kontinuierlich zugenommen – von 85.000 im Jahr 2010 auf über das Vierfache im Jahr 2022. Trotz der Coronapandemie, die das Wachstum in den Jahren 2020 und 2021 verlangsamte, erhöhte sich die Anzahl der Arbeitsmigranten im Jahr 2022 um 19 % (56.000 Personen).
Die Registrierten zum Ende 2022 waren vorwiegend Männer (67 %) und die Mehrheit war zwischen 25 und 35 Jahren alt (56 %).

Quelle: Statistisches Bundesamt; https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/04/PD23_165_125.html
Deutschland: Fachkräfte (nicht) willkommen?
Um für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv zu werden, gibt es in Deutschland laut der Expat-Organisation „Internations“ dennoch einiges zu tun: In einer kürzlich durchgeführten Befragung zeigt sich, dass Deutschland unter Auswanderern weltweit eines der am wenigsten attraktiven Länder ist. Die Studie, die auf den Antworten von über 12.000 Expats basiert, platzierte Deutschland auf Rang 49 von 53. Gründe dafür sind bürokratische Hindernisse, der angespannte Wohnungsmarkt und eine unzureichende digitale Infrastruktur. Darüber hinaus wird Deutschland als eines der unfreundlichsten Länder eingestuft, was zu Schwierigkeiten bei der sozialen Eingliederung und dem Aufbau von Freundschaften führt.
Um im internationalen Vergleich bestehen zu können, muss Deutschland als Arbeits- und Lebensort also noch attraktiver werden, denn Länder wie die USA, Kanada oder Australien ziehen ebenfalls Arbeitskräfte an.
Ausserdem müssen ausländische Fachkräfte erfolgreich in den deutschen Arbeitsmarkt und die Gesellschaft integriert werden. Dies betrifft sowohl sprachliche als auch kulturelle Aspekte. Auch bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen besteht weiter Nachholbedarf.
Expats und Personalberatungen
Auch Personalberatungen können für Expats eine wertvolle Ressource darstellen: Sie haben Zugriff auf eine Vielzahl an relevanten Positionen und können Zugang zum Netzwerk auf dem lokalen Arbeitsmarkt. Der Kontakt zu Recruiting-Experten hilft ausserdem, wertvolle Einblicke in eventuelle Besonderheiten sowie die aktuellen Entwicklungen oder Trends in bestimmten Bereichen zu bekommen. Personalberatungen können auch dabei helfen, auch beruflich Fuss in der neuen Heimat zu fassen. „Für mich war es besonders schön zu sehen, dass ich einer Kandidatin mithilfe einer Position in Arbeitnehmerüberlassung den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt ermöglichen konnte“, erzählt Corinna Ebner, Recruitment Consultant bei der Aristo Group. Die Life Science Expertin könne nun auf ihrer bisherigen Ausbildung aufbauen und ihre Karriere hierzulande beginnen.
Erwerbsmigration: vielversprechende Möglichkeit, den Fachkräftemangel zu lindern
Insgesamt ist die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland eine vielversprechende Möglichkeit, den Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche zu lindern. Jedoch erfordert sie eine sorgfältige Planung und Durchführung sowie die Bereitschaft, in die Integration und Weiterbildung dieser Fachkräfte zu investieren.
Das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland darf jedoch nicht die einzige Massnahme zur Bewältigung des Fachkräftemangels in der Gesundheitsbranche bleiben. Weitere Möglichkeiten umfassen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Vergütung, die Förderung der Ausbildung im Gesundheitsbereich und die Unterstützung der Weiterbildung und Spezialisierung von inländischen Arbeitskräften. Durch die Kombination verschiedener Strategien und einen offenen Dialog kann die Gesundheitsversorgung in Deutschland nachhaltig sichergestellt werden.