Schätzungen zufolge erkranken jährlich 600 Millionen Menschen weltweit nach dem Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln – für rund 420.000 von ihnen hat dies sogar tödliche Folgen. Neue Technologien und Verfahren können dazu beitragen, die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln weiter zu verbessern.
Das Thema Lebensmittelsicherheit spielt eine enorme Rolle für Gesundheit und Wohlbefinden von Menschen auf der ganzen Welt. Der Begriff Lebensmittelsicherheit beschreibt alle Massnahmen, die sicherstellen sollen, dass Lebensmittel entlang der gesamten Lieferkette vor Verunreinigungen, Toxinen und weiteren Risiken geschützt sind. Um die Sicherheits- und Qualitätsstandards weiter zu verbessern, werden fortgehend neue Technologien und Verfahren entwickelt. Besonders im Trend liegen aktuell Lebensmittel aus dem Labor, sogenannte In-vitro-Lebensmittel.
1. In-vitro Lebensmittel: Fleisch, Fisch und Milchprodukte aus dem Labor
Als In-vitro-Lebensmittel, oft auch kultivierte Lebensmittel oder „Laborfleisch“ genannt, versteht man essbare Produkte – beispielsweise Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder Eier – die im Labor hergestellt wurden. Bei der Herstellung dieser werden tierische Zellen, meist Muskelgewebe, entnommen und in einer Nährlösung platziert. In dieser können sich die Zellen vermehren und zu Muskelgewebe entwickeln. Da In-vitro-Lebensmittel unter kontrollierten Bedingungen entstehen, kann das Risiko von Tierkrankheiten und anderen Kontaminationen verringert und damit die Lebensmittelsicherheit verbessert werden. Durch diesen Prozess sinkt der Bedarf an konventionell erzeugtem Fleisch und damit auch die Umweltbelastung durch Tierhaltung Treibhausgasemissionen und Landnutzung.
Aktuell stehen In-vitro-Lebensmittel noch vor einigen Herausforderungen: Der 2013 präsentierte erste, im Labor hergestellte Rindfleisch-Burger kostete rund 250.000€. Auch wenn diese Kosten inzwischen deutlich gesunken sind, übertreffen sie dennoch deutlich die Kosten für konventionelles Fleisch. Die niederländische Beratungsfirma CE Delft sieht den Preis von In-vitro-Fleisch im besten Fall bei rund 15€ pro Kilo – also ungefähr das zehnfache der aktuellen Kosten von Schweinefleisch in Deutschland. Auch bezüglich der Zulassung gilt es noch einige Hürden zu nehmen: In-vitro-Lebensmittel fallen in Deutschland unter die Novel-Food-Verordnung. Sie zählen also zu den neuartigen Lebensmitteln und müssen eine Reihe kritischer Tests bestehen, bevor sie eine Marktzulassung erhalten.
2. Blockchain-Technologie: die Herkunft von Lebensmitteln lückenlos nachvollziehen
Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. haben dafür gesorgt, dass Blockchain-Technologie inzwischen einer breiten Masse von Menschen ein Begriff ist. Auch in der Lebensmittelsicherheit bietet Blockchain Chancen: Sie kann helfen, die Lebensmittelsicherheit und die Rückverfolgbarkeit zu optimieren. Bei Blockchain handelt es sich um ein dezentrales Protokoll für Transaktionen. Einzelne Datensätze werden miteinander verkettet und können kontinuierlich erweitert werden. Datensätze können beispielsweise aus Kaufverträgen, Finanztransaktionen, aber auch aus Daten wie Pflanzen- oder Tierinformationen, Transportinformationen oder Verarbeitungsdaten bestehen. Mittels der Blockchain-Technologie soll eine lückenlose Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln entlang der ganzen Lieferkette vereinfacht werden. Diese kann durch Blockchain in Sekunden statt in Tagen erfolgen, wodurch bei Lebensmittelrückrufen, auch in komplexen, globalen Lieferketten, betroffene Produkte schneller identifiziert werden können.
3. Optimierte Verpackungen dank Nanotechnologie
In der Lebensmittelindustrie werden Nanotechnologien eingesetzt, beispielsweise um Lebensmittel haltbarer und sicherer zu machen – vor allem, indem Lebensmittelverpackungen optimiert werden. Drei Hauptaspekte sind dabei Verpackungsstabilität, Barrierefunktionen durch reduzierten Gasaustausch und antimikrobielle Eigenschaften.
Einige Beispiele sind:
- Stabilere Plastikverpackungen durch Nanobeschichtungen
- Länger frisches und haltbares Obst und Gemüse durch die Verwendung von Titandioxid Nanopartikeln, welche Sauerstoff und Ethylen unschädlich machen
- Plastikverpackungen mit antimikrobiellen Eigenschaften durch Nanopartikel, welche das Wachstum schädlicher Mikroorganismen verhindern
Trotz all der Chancen, die Nanotechnologien für sicherere Lebensmittel birgt, gibt es auch kritische Stimmen. Vor allem bezüglich der Sicherheit von Nanomaterialien werden Bedenken laut: Haben Partikel in Nanogrösse eine höhere Reaktivität, wodurch sie unerwünschte Effekte auf die Gesundheit haben? Viele Nanomaterialien gelten als sicher. Nichtsdestotrotz wird weiter über Langzeitwirkungen und mögliche Ansammlungen im Körper diskutiert.
4. Erkennung von Qualitätsmängeln automatisieren mit Künstlicher Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) ist in den letzten Monaten absolut im Trend, vor allem dank Tools wie Chat GPT und Co. Doch auch in der Lebensmittelindustrie spielt KI eine wachsende Rolle. KI kann menschliche Fehler reduzieren und Standards erhöhen, wodurch die Gesamtqualität unserer Lebensmittel verbessert wird. Weitergehend können KI-Maschinen Produkte überwachen und auf Fehler überprüfen. Darüber hinaus können durch künstliche Intelligenz potenzielle Gefahrenerkennen und bei der Behebung unterstützen. Mittels vorausschauender Wartungssysteme können Maschinenprobleme vermieden werden, noch bevor diese entstehen, und KI-Bildverarbeitungssysteme können im Rahmen der Qualitätskontrolle die Erkennung von Qualitätsmängeln automatisieren.
Noch stehen KI-Technologien aber vor einigen Herausforderungen. Vor allem die hohen Kosten, die aktuell noch mit der Einführung von KI-Technologien einhergehen, stellt für viele Unternehmen ein Problem dar. Diese sind in erster Linie auf deren hohe Komplexität und den Bedarf an Arbeitskräften mit entsprechender Qualifikation zurückzuführen. Auch die Befürchtung, dass KI menschliche Arbeitskräfte ersetzt, also zu Arbeitsplatzverlusten führt, steht Branchenübergreifend im Raum, sobald über den Einsatz von KI-Systemen diskutiert wird.
5. Intelligentes Verpackungsdesign für effizienten Informationsfluss
Unternehmen führen während der Produktion und vor der Auslieferung regelmässige mikrobiologische und chemische Tests an ihren Produkten durch. Derartige Untersuchungen gibt es nach der Auslieferung im Supermarkt nichtmehr – eine Lücke, die intelligente Verpackungsdesigns füllen könnten. Aktuell werden intelligente Verpackungen von drei Technologien dominiert: Datenträger, Indikatoren und Sensoren.
Datenträger, wie beispielsweise Barcodes und RFID-Technologie, sollen dafür sorgen, dass Informationen in einer Lieferkette effizienter fliessen. Sie können Informationen zu Lagerung, Distribution und Co. speichern, um Nachhaltigkeit, Automatisierung oder Fälschungsschutz zu sichern.
Indikatoren können das Vorkommen oder Fehlen einer Substanz, das Ausmass einer Reaktion oder die Konzentration einer Substanz melden. Zeit-Temperatur-Indikatoren (TTIs), beispielsweise, können anzeigen, ob die Kühlkette oder erforderliche Temperaturen in einer Lieferkette eingehalten wurden. Frischeindikatoren hingegen können Informationen über mikrobiologisches Wachstum oder chemische Veränderungen liefern und damit, zum Beispiel durch Farbwechsel, Aussagen über die Frische eines Produkts treffen.
Sensoren sind per Definition Bauteile zur Erfassung, Lokalisierung oder Quantifizierung einer Energie oder Substanz, die die ermittelte Grösse in ein Signal umwandelt. Verschiedene Sensoren untersuchen verschiedene Parameter: Gassensoren, beispielsweise, können Verderb anhand der Konzentration verschiedener Gase wie CO2 oder H2S anzeigen.
Neben den Vorteilen, die Intelligente Verpackungen mit sich bringen, können diese das Verbraucherverhalten auch negativ beeinflussen. Kunden würden Artikel mit einem verfärbten Frischeindikator wahrscheinlich nicht kaufen, sondern zu einem Produkt ohne verfärbten Indikator greifen, wodurch die Menge an unverkauften Lebensmitteln steigt. Auch das Thema Recycling muss im Zusammenhang mit intelligenten Verpackungen bedacht werden. Kommen technologische Komponenten in Verpackungen zum Einsatz, so kann das sie Recyclingfähigkeit dieser beeinflussen.
Chancen und Risiken neuer Innovationen im Bereich Lebensmittelsicherheit
Innovationen treiben die Sicherheit, Qualität und Rückverfolgbarkeit unserer Lebensmittel weiter voran. Blockchain, Nanotechnologie, In-vitro und Co. können bedeutend dazu beitragen, Risiken zu identifizieren, Verunreinigungen zu verhindern und damit die Sicherheit zu erhöhen. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, die Herausforderungen, die mit diesen Innovationen einhergehen, zu erkennen und entsprechend anzugehen. Zu diesen gehören sowohl Aspekte der Skalierbarkeit, Kosten und Regulierung, als auch die grundsätzliche Sicherheit und Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern.